So. Nachdem die Blutspendeaktion erfolgreich überlebt ist, bin ich jetzt in Leverkusen, zu Gast bei einem meiner ältesten Freunde und seiner Familie. Dort verkrieche ich mich jedes Jahr um diese Zeit, um mir gemeinsam mit Razor das FFF anzuschauen – das Fantasy Film Fest. Wobei es eigentlich anbetracht des Programms der letzten Jahre eher Zu-viele-dämliche-Slasher-mit-ein-paar-Perlen-dazwischen-Festival heißen sollte. Der Spaß besteht darin, die einigen wirklich guten Filme herauszupicken, die sich zwischen dem Müll verstecken – die sind dann nämlich oft sehr schräge dinge, die man sonst nie zu Gesicht bekommen würde.
Heute haben wir drei Filme gesehen – zwei absolut geniale und einer so grandioser Müll, dass wir jetzt noch dabei sind, die Logik-, Historien- und Figurenmotivationsfehler auseinanderzupicken.
TUCKER AND DALE vs. EVIL: http://www.imdb.com/title/tt1465522/
Satire auf diese Welle von Horrorfilmen, in denen unschuldige Collegekids, die nur ein bisschen am Land feiern wollen, von bösartigen Hillbillies entführt, gefoltert und gemetzelt werden.
Wir haben gebrüllt vor Lachen. Steht für mich in einer Reihe mit ‚Shawn and the Dead‘ und ‚Fido‘, was Persiflagen auf Horrorfilme angeht – vor allem deshalb, weil er sich selbst als Film ernst nimmt. An jedem Punkt der Geschichte, egal, wie absurd sie wird, ergeben die Handlungen der Figuren absolut Sinn und sind auch emotional schlüssig. Die Charakterisierungen sind auf den Punkt und du liebst die Hauptfiguren von Anfang an. Ehrlich, man möchte t diese zwei leicht döflichen und völlig überforderten Hillbillies einfach nur umarmen. Und außerdem enthält der Film Alan Tudyk und dem würd ich auch noch ergriffen zuhören, wenn er zwei Stunden lang aus einem Kinderbuch namens „Der lustige Tag des kleinen knuddeligen Eichkätzchens“ rezitieren würde.
CHATROOM: http://www.imdb.com/title/tt1319704/synopsis
Zeigt, wie wenig man für einen wirklich genialen Film braucht: vielleicht zehn Drehorte, fünf sehr talentierte junge Hauptdarsteller und ein Drehbuch mit größeren Mengen an bösen Psychospielchen.
Lief in Cannes und bekam dort grauenhafte Kritiken. Beim Hinausgehen sag ich zu Razor: „Siehst du, drum mochten sie ihn in Cannes nicht.“
„Der war doch verdammt gut!“
„Eben.“
BLACK DEATH: http://www.imdb.com/title/tt1181791/
Dazu sag ich jetzt dreierlei.
Erstens:
Es ist eine gute Idee, wenn es zumindest EINE Figur in dem ganzen verdammten Film gibt, die nicht dämlich, religiös verbrämt und böse ist. Du hattest nämlich die Wahl zwischen zwei Gruppen: Die einen sind eine Gruppe ungewaschener Ritter, die hergehen und sagen: „Hey, hier wütet zwar die schwarze Pest, aber es gibt da dieses eine abgeschiedene Dorf, wo sie noch nicht ist. Ganz offensichtlich gibt es dort Hexen und Necromanten und sie haben sich mit dem Teufel verschworen, sonst gäbs das nicht. Also schauen wir am besten mit einer fahrbaren Eisernen Jungfrau mal dort vorbei, foltern sie, verbrennen die Hexen und dann pestelts dort hoffentlich wie im Rest der Welt.“
Das sind die Guten, nämlich.
Die Bösen sind die Leute in diesem Dorf, die ein bisserl dazu neigen, Leute umzubringen, die mit fahrbaren Jungfrauen bei ihnen auftauchen und sie foltern wollen. Völlig unverständlich, das. Ein Dorf voller Atheisten im Übrigen, die dann auch noch humanistische Reden schwingen und wesentlich sauberer gekleidet sind als der Rest der Welt. Ich dachte kurz, dass sind die Guten, bis sie anfangen, dass sie sicherheitshalber doch grausliche Ritualmorde begehen.. Was nur sehr bedingt Sinn macht, weil – ganz ehrlich, die wenigsten Atheisten machen sich die Mühe mit grauslichen Ritualmorden, weils ja keine Gott und keinen Satan gibt, bei dem man sich damit einschleimen kann. Das versaut nur den Teppich und vergrämt die Gäste.
Zweitens: Check your facts, darlings.
Edward I, seine Langbogenschützen und erste Beulenpestepedemie in England: 14 Jhd.
Professionelle Hexenjagd: spätes 15. Jhd.
Erfindung Eiserne Jungfrau: 18. Jhd.
Das mit der eisernen Jungfrau ist ja noch zu vergeben, aber institutionalisierte Hexenverbrennungen haben im Mittelalter einfach nichts zu suchen. Das tut einfach nur weh, und zwar mir noch mehr als den Hexen. Ehrlich. Und es ist auch wirklich, wirklich, WIRKLICH unwahrscheinlich, dass ein Ritter des frühen 14. Jahrhunderts Wörter wie „Germs“ und „Job“ benutzt.
Von allen anderen historischen Fehlern, von denen jede Szene ungefähr sieben enthielt, will ich gar nicht anfangen. Ich sage nur: Wimperntusche. Große Mengen von Wimperntusche bei einfachen Dorfmädels, die grad mitten in einer Pestepedemie sitzen und eigentlich um ihre Liebsten trauern.
Leute, nix gegen ein bisserl versehentliche historische Unkorrektheit, aber wenn man nicht fähig ist, IRGENDEIN Detail halbwegs glaubwürdig hinzukriegen, dann könnte man irgendwie meinen, da steckt Absicht dahinter.
Drittens:
Und der Rest vom Film war auch schlecht.
Ja… Du hast vergessen, dass das arme, novizenschändende Dorfmädel im Besitz eines gewaltigen PFERDES ist – was seinerzeit ja doch ein gewisses Indiz für Wohlstand war, welches aber dann, als sie – anstatt gleich in das Dorf weiter zu reiten, in das sie eigentlich will und das ihr Liebster gut kennt – drei Tage im tiefen dunklen Wald auf ihn wartend unter die Räuber fällt, die sie umbringen oder auch nicht, unbehelligt und ungeklaut bleibt, da sich die Schufte für das verdammte PFERD nicht im geringsten interessieren, denn ehrlich, wozu braucht man denn ein Pferd?
Doofer Film. Und doofe Sitznachbarn, außerdem, aber das ist ein anderes Kapitel.
Dafür war Chatroom wirklich sehr gut und Tucker & Dale ein schlichtes Meisterwerk.
Ich glaub ja immer noch, dass das Pferd auch die Pest gehabt hat. Anders gibts das fast nicht.
Mich stört bei sowas die frühe Jungfrau ja fast mehr, denn deren inquisitatorische Nichtexistenz ist ja mittlerweile wirklich kein Geheimnis mehr und bekannter als die Beatles.
Germs ist übel, weniger als Wort denn als Konzept kaum in einem Ritterkopf unterbringbar, Job allerdings kann im Englischen auch Hiob meinen und könnt daher auf eine berittene Kurzstreckenaphasie zurückzuführen sein.
Alan Tudyk allerdings ist wirklich einer der umarmbarsten Leute, die sich auf diesem Planeten herumtreiben. Direkt neben Nathan Fillion. Und Jewel Staite.Und Adam Baldwin.
I’ll be in my bunk.
Wir hatten ja die Theorie, dass sie job im phonetisch-semantischen Sinne von ‚Tschopp is häd off“ gemeint haben. Würd irgendwie passen.