Der Pirat, der in alle sieben Weltmeere pinkeln wollte – Teil 4

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DER PAZIFISCHE OZEAN – Zwölf Jahre später

Das Problem mit chinesischen Seedrachen… nein, halt, das ist falsch. Es gab nicht nur EIN Problem mit chinesischen Seedrachen, sondern einen ganzen Haufen. Eines davon war, dass sie wesentlich größer waren als sowohl der europäische als auch der nordamerikanische Seedrache, und wesentlich schlechter gelaunt.

Volle Kraft voraus!“, brüllte Alischa und riss das Ruder herum.

Ein weiteres Problem war natürlich ihre Geschwindigkeit. Alischa und seine Crew waren schon auf der Flucht vor ganz erstaunlichem Getier gewesen – inklusive den Flugtintenfischen von Siam und dem Nörgelnden Norwegischen Wassereinhorn – aber noch nie hatte eines ein solches Tempo vorgelegt. Wenn ihr Schiff nicht auf Geschwindigkeit ausgelegt gewesen wäre, mit flachem Rumpf und schlankem Bau, wären sie schon längst erledigt gewesen. Aber auch so kam ihr Verfolger immer näher, in einem Wirbel von Feuer, Flossen und weißem Schaum.

„Wir werden alle Drachenfrühstück“, teilte Norbert der Crew im Plauderton mit. Norbert war der erste Maat geworden, nachdem der alte erste Maat in Pension gegangen war, und er sagte alles im Plauderton, vor allem, wenn er ihren bevorstehenden Untergang ankündigte. Dazu in Alischas Diensten erstaunlich oft Gelegenheit. 

Der Drache tauchte abrupt ab, ließ nur schäumende Wogen zurück, und in der Crew brach endgültig Panik aus: „Wo ist er? Habt ihr ihn gesehen? Wo ist das Mistvieh?“ Die Männer verließen ihre Posten, hetzten von Flanke zu Flanke, um in die Tiefe zu spähen und nach einem monströsen Schattenriss Ausschau zu halten. 

Plötzlich hob sich der gigantische Schädel direkt vor ihrem Bug aus den Fluten, zwei Pranken in der Größe von Ochsen packten das Schiff links und rechts und brachten es abrupt zum Stillstand. Der Drache hielt sich das Schiff vor’s Gesicht, so wie ein Kind mit einem Spielzeugboot hantieren würde, und donnerte: „WER? WER VON EUCH SCHURKEN WAR ES?!“

Tja, dachte Alischa: und das ist das dritte Problem mit chinesischen Seedrachen. Sie reagieren komplett irrational, wenn ihnen jemand in bester Absicht in den Korallengarten pieselt. 

Alischas Crew führte einige Sekunden lang einen faszinierenden kleinen Tanz auf, bei dem jeder versuchte, ganz, ganz hinten in der Menge zu stehen, um ja nicht ins Blickfeld des Drachen zu geraten und aus Versehen für den kriminellen Pinkler gehalten zu werden. Zugegeben – der Anblick der armlangen Zähne löste in ihm einen distinktiven Wunsch aus, es seinen Leuten gleich zu tun. Allerdings wusste er auch, was seine Verantwortung als Käpt’n (und als besagter krimineller Pinkler) von ihm forderte. Er hob die Hand und war stolz darauf, dass sie kaum zitterte: „Uhm… ich. Aber es war keine Absicht.“

„WIE KANN DAS KEINE ABSICHT GEWESEN SEIN?!“ Die Stimme des Drachen war alles, was erfahrene Seemänner nachts schreiend aufwachen lässt: sie war Heulen eines Wintersturms, sie war das Brechen des Masts, sie war der Hauch der Tiefe. Alischa schluckte.

„Naja, wir wussten doch nicht, dass da Ihr Garten ist und…“
„DA SIND SCHILDER! GROSSE SCHILDER MIT DER AUFSCHRIFT: ‚PRIVATER KORALLENGARTEN – BITTE NICHT BETRETEN‘!“
„Naja, es kann sein, dass …“
“IN FÜNF SPRACHEN!“
„Es ist halt…“
„UND LINKS UND RECHTS SIND TAUSENDE SEEMEILEN, DIE ALLE NICHT MEIN GARTEN SIND!“

Da hatte der Drache durchaus einen Punkt. 

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10 Antworten zu Der Pirat, der in alle sieben Weltmeere pinkeln wollte – Teil 4

  1. Mountfright schreibt:

    Hat dies auf schreckenbergschreibt rebloggt und kommentierte:
    Heute ist Sarah schneller als ich – weiter geht es mit Alischa, der inzwischen Käpt’n ist und seine eigene Crew hat. Und ich möchte bitte, bitte, wenigstens eine Zeichnung, aber eigentlich eine eigene Geschichte vom Nörgelnden Norwegischen Wassereinhorn.

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