About: Geschichten für euch
Teil 1
Teil 2
Teil 3
Teil 4
Aber Alischa hatte gedacht, wenn er schon ins gelbe Meer… nun ja… dann an einem besonders eindrucksvollen Ort, um den Anlass gebührend zu feiern. Immerhin hatte es ihn Jahre gekostet, hierher zu kommen, da wollte er seine dritte Meeresbepinkelung nicht einfach schnell in irgendeiner Ecke erledigen. Genau das versuchte er jetzt stockend und stotternd dem Drachen zu erklären. Der hörte sich seine Ausführungen mit finsterem Blick an und ließ Alischa offensichtlich nur aus Höflichkeit aussprechen, bevor er ihn und seine ganze Crew auffraß. Was wiederum Alischa zu besonderer Redseligkeit anspornte, um diesen Punkt möglichst lange hinauszuzögern. Aber als er in seiner Erzählung schließlich zum Ursprung der ganzen Geschichte kam und zu einem gewissen Mädchen mit Haaren so rot wie der Schweif einer Meerhexe… da hellte sich die Miene des Drachen mit einem Mal auf. „Was, ein Mädchen?! Du machst das, um ein Mädchen zu beeindrucken?“
„Naja, so würd ich das vielleicht nicht sagen. Ich hab sie nur einmal gesehen, das ist ewig her, und…“ Aber der Drache hörte schon gar nicht mehr zu, sondern wippte vor Vergnügen auf und ab und klatschte begeistert in die Pranken: „Ein Balzritual! Ein Balzritual, wie vortrefflich!“
Im Hintergrund entstand hektisches Geflüstert, weil mehrere der Piraten nicht die geringste Ahnung hatten, was ein Balzritual war. Der erste Maat versuchte zu erklären: „Also, wenn ein Papamöwe ganz schrecklich auf eine Mamamöwe steht, dann hat er ja diesen kleinen Tanz. Ihr wisst schon, wenn er so mit den Flügeln wackelt und dem Schnabel klappert und alles, weil er hofft, dass sie zu ihm ins Nest kommt und-“
„Aaaaaah“, machten die Piraten.
„Pscht!“, machte Alischa.
Aber was ist mit einer Papamöwe, die in eine andere Papamöwe verliebt ist?“, fragte Beinahe-Johnny, der seiner Zeit immer schon voraus war: „Macht der dann dasselbe Balzritual, oder irgendwie anders-“
„Wahrscheinlich dasselbe, da musst du die Papamöwe fragen-„
„Ich frag doch keine Möwe, auf wen sie steht. Das ist unhöflich!“, protestierte Beinahe-Johnny: „Was wenn die grad von einer anderen Möwe verlassen worden ist und jetzt überhaupt nimmer balzen kann und-“
„PSCHHHHHT!!“, machte Alischa erneut, der sich immer noch Auge in gigantischen Drachen befand und gerade echt andere Sorgen hatte als Mamamöwen, Papamöwen und Möwen insgesamt. Besagter Drache dachte jedoch gar nicht mehr daran, irgendjemanden zu frühstücken. Im Gegenteil, er strahlte sie an und rief: „Oh bitte, bitte! Ihr müsst unbedingt zu mir zum Tee kommen!“
Eine halbe Stunde später saßen sie allesamt in einer feuchten, aber gemütlichen unteridischen Grotte und bekamen von trainierten Seehunden feinsten Lapsangtee in hauchfeinen Porzellantassen serviert. Es stellte sich heraus, dass ihr Gastgeber Hu Tao hieß und ein Gelehrter von einigem Renommee war. (Viele Seedrachen, sowohl chinesische als auch europäische, sind irgendwie in der Forschung tätig, mit der Ausnahme einer kleinen Minderheit, die auf die Herstellung besonders kunstvoller Meerschaumpfeifen spezialisiert ist.) Hu Taos spezieller Forschungsschwerpunkt war die Primatologie, insbesondere das Fortpflanzungsverhalten von Kapuzineräffchen und Menschen. Seit mehreren Jahren schrieb er nun an einer Arbeit über die Balzrituale der beiden Arten, aber die Recherche gestaltete sich schwierig. Die wenigsten seiner Forschungsobjekte hörten lange genug mit dem Schreien auf, um sie ordentlich auszufragen. Folglich grinste Hu Tao selig über das ganze Gesicht, während er Alischa wieder und wieder auch noch das kleinste Detail seiner Abenteuer wiederholen ließ und dabei Fragen stellte wie: „Und ist für das Weibchen einzig der Akt des Ins-Meer-Pinkeln ausschlaggebend oder hat sie noch andere Kriterien? Die Farbe beispielsweise oder die Höhe des Bogens? Oh, das ist alles so aufregend!“
Alischa bemühte sich, seine Fragen so ausgiebig wie möglich zu beantworten und auf eine Art, die möglichst nicht dazu führte, dass er und/oder seine Leute gefressen wurden. Wenige Monate später erschien tatsächlich Hu Taos viel beachtetes Buch „Über das urinöse Balzverhalten der Gattung Mensch“, das bis heute in Seedrachenkreisen als eines der umfassendsten Werke zu diesem Thema gilt. Es ist voller Verallgemeinerungen, Vereinfachungen und schlichten Unwahrheiten und damit fast automatisch ein Klassiker.
Hat dies auf schreckenbergschreibt rebloggt und kommentierte:
Wieder war Sarah schneller als ich. Heute geht es (natürlich) wieder um unseren Piraten Alischa und seine Crew, aber auch um Papamöwe, Mamamöwe, die andere Papamöwe, den schon von gestern bekannten Seedrachen undBalzriutale. Ich bin begeistert.
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