Der Dunkle Fürst und das Fräulein Niedermaier – Teil 12

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Hier kehren wir nun zur zweiten Hauptfigur dieser Geschichte zurück. Denn nachdem das Universum solche Zufälle liebt, tat Salamacian genau in dem Moment seinen ersten rippenerschütternden Nieser, als viele Kilometer entfernt Fräulein Niedermaier über die Schwelle des Tänzelnden Einhorns trat. Die Taverne erfüllte jedes Klischee, das jemals zum Thema erfunden worden war: das Stroh am Boden war das letzte Mal wahrscheinlich zu Beginn des Zeitalters gewechselt worden, die Luft war so verraucht und stickig, dass man sie hätte löffeln können und auf den Bänken saßen düstere Gesellen direkt aus dem Castingkatalog der Agentur Schurken und Halsabschneider GmbH. Sieschütteten fassweise Met und Bier in sich hinein und sangen dabei Lieder, deren Texte ich hier nur wiedergeben könnte, wenn ich vorher eine schriftliche Einverständniserklärung eurer Eltern und die Zusage hätte, dass ihr alle von geschultem Personal psychologisch nachbetreut werdet, um die geistigen und seelischen Schäden auf ein Minimum zu beschränken. 

Der Wirt – ein Hüne von Mann, ganz Glatze, Schlagring und Drachentätowierung quer über den Kehlkopf – sah von seiner Arbeit auf und erkannte Fräulein Niedermaier. Seine Augen weiteten sich.

„Abend, Bari“, sagte sie.

„Abend, Fräulein“, erwiderte er und zeigte beim Lächeln, dass die Hälfte seiner Zähne aus Eisen bestanden: „Wir haben nicht mit Ihnen gerechnet – nicht vor Ihrem Urlaub im Mai.“ 

Fräulein Niedermaier seufzte: „Lange Geschichte, mein Freund. Was ist mit dir – das Geschäft läuft gut?“

Er nickte und tätschelte liebevoll den mit Stahlspitzen besetzen Knüppel, den er jederzeit unter dem Tresen liegen hatte. Trotz des verbrecherischen Klientels prellte niemand im Tänzelnden Einhorn je die Zeche. Niemand. Fräulein Niedermaier nickte wohlwollend – sie erkannte gute Geschäftspraktiken, wenn sie sie sah.

„Wunderbar, das freut mich. Ist jemand von den anderen da?“

„Ein paar. Soll ich Sie ankündigen?“

„Nein, nein, ich geh gleich durch.“

Der Barkeeper zog einen Vorhang hinter dem Tresen zur Seite, der bisher den Blick auf einen Gang verborgen hatte. Dieser führte in ein geheimes Hinterzimmer – und ins eigentliche Herz des Tänzelnden Einhorns. Fräulein Niedermaier tätschelte ihm im Vorbeigehen den Arm und der Wirt senkte respektvoll den Kopf, im vollen Wissen, welche Ehre diese Geste war.

Fräulein Niedermaier ließ den Vorhang hinter sich zufallen und sofort verebbte der Tavernenlärm. An seine Stelle traten leise Klaviermusik sowie der Duft von Lavendel, frisch aufgebrühtem Tee und Mürbteigkeksen. Die Wände waren in warmen Pastelltönen gehalten und die Möbel schienen direkt aus einem französischen Teesalon des 18. Jahrhunderts zu kommen. An den Tischen saß eine Gruppe älterer Damen und Herren tief ins Gespräch vertieft, während eine Kellnerin mit einer riesigen Teekanne von Tisch zu Tisch wanderte und dafür sorgte, dass die Tassen niemals lange leer blieben.

Alle Gespräche verstummten sofort, als Fräulein Niedermaier eintrat – nicht einmal noch das Klicken eines Teelöffel gegen den Tassenrand war zu hören. Dann standen die Anwesenden wie ein einziger Organismus auf und verbeugten sich tief vor ihrer heimkehrenden Königin.

„Fräulein Niedermaier“, flüsternde eine Dame in Pastellblau mit zitternder Stimme: „Es ist uns eine Ehre.“ 

Damit brachen die Mitglieder der Geheimen Vereinigung der Haushälterinnen und Haushälter Dunkler Lords und anderer Schreckensherrscher in Jubel aus. 

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12 Antworten zu Der Dunkle Fürst und das Fräulein Niedermaier – Teil 12

  1. Mountfright schreibt:

    Hat dies auf schreckenbergschreibt rebloggt und kommentierte:
    Sarah hat ihr Geschichtenfeuer etwas später angezündet und erzählt Euch eine Gutenachtgeschichte, in der es Fräulein Niedermaier deutlich besser ergeht als dem Dunklen Fürsten…

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