Hey, Leute, wie geht’s euch? Alle immer noch wohlbehalten, wenn auch halt sozial isoliert? Für meinen persönlichen Geschmack würd’s jetzt dann langsam echt reichen mit der Pandemie, aber mein persönlicher Geschmack kümmert aus irgendeinem Grund den verdammten Virus nicht besonders.
Ich für meinen Teil bin eigentlich recht guter Dinge, aber ich spiele dieses Isolations-Zeugs auch auf einer der einfachsten Schwierigkeitsstufen: allein in einer großen Wohnung und einem Job, den ich sowieso schon immer von zu Hause aus gemacht habe. Dazu kommt, dass meine Hände sich nach einem Dreivierteljahr endlich auf dem Weg der Besserung befinden und ich zwar auf der einen Seite körperlich isoliert bin – weil Pandemie – auf der anderen Seite aber endlich mein Schreiben und damit meine wichtigste Kommunikationsform mit der Welt wiederhabe. Auf absurde Weise bin ich also momentan weniger allein als den größten Teil des vergangenen Jahres.
Ich verbringe die Tage damit, zu Schreiben, mit meinen Lieben zu telefonieren/skypen und aus Sehnsucht nach dem Wald so ziemlich jeden Raum meiner Wohnung in einen Impromptu-Garten zu verwandeln. (Sowohl Pflanzen als auch Pflanzenlampen kann man online bestellen, und es könnte sein, dass ich das ein wenig exzessiv tue.) Vielleicht poste ich die nächsten Tage einmal ein paar Fotos von meinem momentanen Indoor-Gartenwahn, auf facebook sind schon etliche davon. Oft sitz ich aber auch einfach nur am Fenster und schau in den Innenhof, wo zwei Krähen ihr Nest in einem der Ahornbäume haben. Mittlerweile ist das Laub dicht genug, dass ich das Nest selber nicht mehr sehen kann, nur die Eltern beim An- und Abflug, und ich liebe sie sehr.
Soviel also zum Stand der Sarah. Jetzt zur eigentlichen Hauptveranstaltung: unsere neue Geschichte. Sowohl der Pinkelnde Pirat als auch Die Haushälterin waren durchgehende Geschichten, ab heute aber gibt es Lexikoneinträge.
Einträge aus dem „Lexikon der Absonderlichen Arten“, um genau zu sein, das dereinst der bekannte Wiener Kryptozoologe Alberich von und zu Brünzelberg-Hündelsbrünz verfasste. Die Familie der Von und Zu Brünzelberg-Hündelsbrünz waren gleichermaßen steinreich als auch komplett durchgesemmelt und haben sich im Lauf der Jahrhunderte immer wieder als Experten verschiedenster Fachrichtungen hervorgetan. Ihre Ergebnisse waren teilweise fragwürdig, ihr Ableben immer spektakulär. Alberich selbst kam bei einem Zwischenfall ums Leben, dei dem unter anderem achtzehn Kilogramm Marokkanischen Minztee, vier Teelöffel und ein Eichhörnchen im Latexkostüm involviert waren. Die Familie schweigt sich über die Einzelheiten aus, wir können es ihnen nur bedingt verübeln.
Aber nun – zum ersten Eintrag. Heute geht es um den äußerst gefährlichen…
Tintenwolf, der:
Jedes Ökosystem bringt seine perfekten Jäger hervor: der Ozean hat den weißen Hai, die Arktis den Eisbären und die öffentliche Leihbibliothek den Tintenwolf.
Die wenigen, die die Begegnung mit einem Tintenwolf überlebt haben, beschreiben ihn als eine Kreatur von gefährlicher Schönheit. Der Körper elegant und tödlich wie ein Gedicht von Rimbaud, die Zähne scharf wie ein wilde’scher Aphorismus und Augen wie etwas, das Poe um drei Uhr morgens geschrieben hätte: traurig und gnadenlos zugleich. Das Fell besteht aus eng bedruckten Papierfetzen und raschelt beim Gehen leise, ihre Pfoten hinterlassen manchmal Druckerschwärze-Abdrücke auf dem Parkett.
Wie Hai und Eisbär ist auch der Tintenwolf unerlässlich für die Gesundheit seines Ökosystems, weil er kranke und schwache Beutetiere aussortiert. So macht er nie Jagd auf begeisterte Leser sondern holt sich stets die, deren Hingabe zum Buch im Frage steht: Wi-Fi-Zugangssucher, Schulschwänzer-und-sich-in-der-Bibliothek-Verstecker und Im-Lesebereich-zu-Laute-Musik-Hörer.
Vom Opfer bleiben in der Regel nicht mehr als ein paar Silben.
Hat dies auf schreckenbergschreibt rebloggt und kommentierte:
Sarah gibt uns ein Sarahupdate und beginnt, uns aus dem „Lexikon der Absonderlichen Arten“, des bekannten Wiener Kryptozoologe Alberich von und zu Brünzelberg-Hündelsbrünz vorzulesen. Und beweist einmal mehr, wie unglaublich poetisch sie erzählen kann.
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