Nächtliches

Es is halb fünf in der Früh, ich sollt eigentlich schlafen und denk stattdessen an eine bestimmte Französischstunde in siebten Klasse.

Unser Professor* hatte uns Kopien von ein paar Seiten aus „Tim und Struppi im Kongo“ mitgebracht und wir sollten herausfinden, was da falsch ist.Wir haben zehn Minuten lang jede Zeile durchforscht, haben unsere Lehrbücher gewälzt und uns verzweifelt gefragt, wo zum Teufel da ein Akzentstricherl falsch sein könnte.

Irgendwann hat er aufgegeben und gefragt: „Euch fällt wirklich nichts auf?“

„Nein?“ „Bitte, schaut euch die Afrikaner an! Die sind das absolute Klischee vom ungebildeten Wilden – Baströckchen, dicke Lippen, reden wie kleine Kinder. Und das ist euch nicht aufgefallen!?“

Ist es nicht. Weil wir’s einfach hingenommen haben, weil wirs nicht hinterfragt haben, weil wir stattdessen nach dem depperten Akzentstricherl gesucht haben. Ich war immer miserabel in Französisch, aber ich glaub nicht, dass ich jemals wieder in einer einzelnen Schulstunde so viel gelernt hab.

*einer der klügsten, weitgereistesten Menschen, die mir in meinem Leben je begegnet sind. Seine einzige Begriffsstutzigkeit war, dass er nie begriffen hat, wie gerne wir ihn alle mochten.

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Paludariumsbau, Teil 1

Okay, wir erinnern uns an… okay, vermutlich erinnert sich niemand mehr so genau an diesen Beitrag vor ziemlich genau einem Jahr:
https://sarahwassermair.wordpress.com/2019/07/22/das-ende-einer-ara-der-beginn-einer-neuen/

Ich hab darin mein nächstes großes Bastelprojekt angekündigt, nämlich den Umbau meines geliebten Aquariums in ein Paludarium und hab optimistisch mit ‚I’ll keep you posted‘ geendet. Das war genau vier Tage, bevor das Angefangen hat, was ich zuerst für eine ’normale‘ Sehnenscheidenentzündung gehalten habe und was mich dann die nächsten neun Monate sowohl am Basteln als auch am Schreiben gehindert hat. Sobald es dann mit den Händen wieder halbwegs ging kamen zwei Monate Lockdown und damit verbunden gewisse Probleme, an einen Glasermeister zu kommen.

Jetzt aber ist es endlich so weit – die letzten paar Wochen hab ich immer daran gewerkelt, wenn ich Zeit zum Plotgrübeln gebraucht und meine Hände beschäftigen wollte, und langsam nähert sich das Ding der Vollendung. Ich dachte, es ist vielleicht auch so für den einen oder anderen ganz interessant, wenn ich – auf ein paar Posts aufgeteilt – hier den Arbeitsprozess zu dokumentieren.

Wenn’s am Ende funktioniert, dann yay, Zeugen des Triumphs. Und wenns nicht funktioniert und das ganze Ding klappernd in sich zusammenfällt… naja, dann hat zumindest irgendwer was zum Lachen, wenn’s schon nicht ich bin.


Also, so sieht das Ausgangsprodukt aus:

Schritt Nr. 1.

Man verbringe viele Stunden damit, die Frontscheibe des Aquariums mittels Stanleymesser und biblischen Flüchen zu lösen. Das dauert verdammt lang, weil das Silikon nicht der Meinung ist, dass es weichen sollte. Was ja normalerweise im Fall von Aquariumsilikon eine exzellente Sache ist und alles, nur jetzt grad: nicht.



Schritt 2.
Man besitze sehr starke Brüder, die vorbeikommen, um einem das frontscheibenlose Aquarium auf den Boden zu legen und die Frontscheibe zum Glaser zu bringen, auf dass er ein kleines Scheibchen davon abschneiden möge. Füttere danach die Brüder mit Bruscetta und Trifle, wobei der Schritt angeblich optional ist. Sollte er aber nicht sein.

Schritt 3.
Man bekomme vom Glasermeister mitgeteilt, dass die Frontscheibe beim Schneiden gesprungen ist und bestelle deswegen gleich eine ganz neue in den richtigen Ausmaßen. Gehe dabei bei der dicke des Sicherheitsglases ein bisschen sehr auf Nummer sicher und werde gefragt: „Was wollen’S da drin halten? An Haifisch?!“

Schritt 4.
Neue Frontscheibe heimholen. Silikon. Fluchen. Noch mehr Silikon. So unendlich viel Fluchen. Am Ende vier komplett versilikonierte Geschirrtücher und ein T-Shirt wegwerfen.




Schritt 5.
Man besitze nicht nur starke Brüder, sondern auch starke Freunde in Gestalt von Mother Duck und ihrem Liebsten, die vorbeikommen, um das Ding wieder an seinen angestammten Platz zu stellen. Wasser einlassen und über Nacht stehen lassen, um sicherzugehen, dass man beim Silikonieren nicht geschlampt habe und das Ding wirklich, wirklich dicht ist. Habe Alpträume zu dem Thema.

Schritt 6. Wasser wieder auslassen, dafür das Gitter installieren, das man als Gerüst für den restlichen verwenden wird. Das Zeug stammt aus der Meerwasseraquaristik und hat einen speziellen Spezialnahmen, der mir grad partout nicht einfällt.

Das kleine Gitterdreieck rechts ist der Gang, durch den dann später die Wasserrohre und Kabel der Pumpe und des Nebelmaschinchens verlegt werden. Man befestige das Gitter mit ein paar Tupfern Silikon an der Rückwand und fixiere das ganze so lange mit Gaffertape, bis die Sache trocken ist.


Okay, soweit für heute, würd ich sagen. Im nächsten Post dann: Bauschaum und Wurzeln und noch mehr Fluchen.

Oh, so viel Fluchen.

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Arks

Ich sehe — schon drei Wochen vergangen seit dem Ende der Erzählaktion. Soviel zu meinem ‚hier geht’s normal weiter‘.

Aaalso, kurze Zusammenfassung des momentanen Standes:

Die letzte Woche über war Michael hier, und ich sag’s euch – meinen besten Freund nach drei Monaten geschlossener Grenzen wiederhaben war äußerst wundervoll. Ich hab ihn heut morgen zum Flughafen gebracht, und es ist mir schwer gefallen wie selten. Intellektuell WEISS ich zwar, dass eine erneute Grenzschließung zumindest momentan unwahrscheinlich ist, praktisch aber… naja, praktisch sitz mir der März mit seinen unschönen Überraschungen noch in den Knochen.

Der Schreckenbergige ist also wieder weg, dafür geht’s jetzt mit Nachdruck an die Deadlines – irgendwie hab ich’s geschafft, gleichzeitig an vier verschiedenen Projekten in vier verschiedenen Stadien zu basteln, und das ist ein klein wenig Jongliererei. (Spielfilm/Fernsehfilm/Fernsehfilm/Doku, wenn es wen interessiert. Mir fällt grad auf, beim einen Projekt darf ich ja sogar sagen, worum’s geht, weil’s eh schon in der Zeitung war: bitteschön. Und ja, ich bin immer noch völlig baff, dass man mich an so eine Vorlage drangelassen hat, und kann nur drum beten*, ihr auch nur ansatzweise gerecht geworden zu sein.)

Sonst gibt es nicht viel zu berichten. Den Händen geht es nach fast einem Jahr Problemen und fünf Monaten Ergotherapie wieder gut genug, dass ich an den meisten Tagen schmerzfrei Tippen kann, allerdings noch nicht genug, dass ich in absehbarer Zeit wieder an Kampfsport auch nur denken könnte. Ersteres macht mich sehr glücklich, zweiteres frustriert mich zu tiefst. Ich bin mittlerweile so weit, dass ich Leute im Fernsehen anpöble, wenn sie den Luxus einer völlig handgelenksunbeschwerten Rauferei genieße. Aber immerhin: ich kann wieder Tippen, und das ist für jemanden, der monatelang dauerhafte Arbeitsunfähigkeit befürchtet hat, eine unfassbare Erleichterung.

Okay, soweit das allgemeine Sarah-Update. Und jetzt geh ich noch eine Folge der Wunderbaren Mrs. Maisel schauen, weil, die ist wirklich wunderbar. Nur, falls wer das wissen wollte.





*Also, Atheisten-beten halt. Hoffen, quasi. Ihr wisst, was ich meine.

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Der Ruf, Epilog

Und damit endet auch ‚Der Ruf‘, und er endet hoffnungsvoll.

Danke, dass ihr dabeiwart, alle miteinander.

https://schreckenbergschreibt.com/2020/05/31/schreckenbergschreibt-quarantanegeschichte-nr-77-der-ruf-teil-52/

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Von einem Museum, einem Piraten und großem Dank

Hey Leute,

und da sind wir also: 77 Geschichteneinträge später, am Ende der Lockdowns, am Ende dieses kleinen Projekts. Wir danken euch beide sehr dafür, dass ihr da wart – für eure Gesellschaft an unserem kleinen Lagerfeuer, für’s Mitlesen, für’s Existieren.

Und ich wiederum danke sehr spezifisch dem Schreckenberg’schem für’s Mit-Mir-Erzählen und Franziska und Jürgen, die dafür gesorgt haben, dass es Alischas Abenteuer jetzt auch als Hörbuch gibt. (Wer’s noch nicht kennt und Lust hat, der findet das famose Teil hier.)

Ab morgen in diesem Blog dann wieder das ’normale‘ Programm, also ‚Sarah quasselt über alles, was ihr so einfällt, über Aquarien im besonderen.)

Zum Abschluss heute ein kleines Cross-Over-Museumsstück, das auch die eingesessenen Adventkalenderempfänger noch nicht kennen. Jetzt wird nämlich endlich mal geklärt, das damals eigentlich mit dem Pinkelnden Piraten und dem Nörgelden Norwegischen Wassereinhorn abgegangen ist.

Ich dank euch,
S.

Ausstellungsstück 89008:

Abgesägte Hornspitze eines Nörgelnden Norwegischen Wassereinhorns

Einhörner gelten mitunter als die elegantesten, ätherischsten Wesen, die mit zartem Huf auf dieser Erde wandeln. Scheu huschen sie durch die entlegensten Wälder, um nur unter den ältesten, weisesten Eichenbäume ihr Haupt in den Schoß einer reinen Jungfer zu betten. Wer einem von ihnen begegnet fühlt sich gesegnet bis zu seinem letzten Tag.

Nun, das Nörgelnde Norwegische Wassereinhorn ist eine komplett andere Kategorie. Beispielsweise, weil sich in der Geschichte der Welt noch niemand gesegnet gefühlt hat, einem begegnet zu sein. Um das Lexikon Absonderlicher Arten von Alberich von und zu Brünzelberg-Hündelsbrünz* zu zitieren:

“Das Nörgelnde Norwegische Wassereinhorn ist nach dem Ort seiner Erstentdeckung benannt, ist aber in den meisten Europäischen Süß- und Brackgewässern heimisch. Auch in Großstädten, wie beispielsweise die Kanalisation unter der Stadt Wien, wurden sie schon gesichtet. Das NNW zeichnet sich durch zwei Dinge aus: seine Tendenz zum Kettenrauchen und seinen überaus übellaunigen, ja nachgerade dauersuderanten Charakter. Es ist absolut unmöglich, ihm irgendetwas recht zu machen, und der Versuch allein ist in mehreren Ländern als Beweis der geistigen Umnachtung gerichtszulässig.”

Die vorliegende Hornspitze stammt aus dem Nachlass des Piraten Alischa Salomonius Dorotheus Sherry, der natürlich versucht hatte, es einem NNW recht zu machen. Über das, was danach passiert ist, ist die moderne Forschung bestens aus einer Primärquelle informiert: dem Tagebuch von Alischas leidgeprüftem ersten Maat, Norbert.

“Ist ein Einhorn, hat er gesagt. Ist eine Kreatur von großer Reinheit und Güte, hat er gesagt. Wir brauchen das Geld, hat er gesagt.

Wie üblich hat er einen Haufen von sich gegeben, unser geliebter Käpten, aber gestimmt hat echt nur das Letzte. Wir waren wirklich ziemlich pleite, aber auch nur weil er den Großteil unseres Ersparten für eine Schatzkarte ausgegeben hat, die er für sein großes Pinkelprojekt unbedingt braucht. Ich hab da nicht so genau nachgefragt, weil meine Therapeutin sagt, das tut mir nicht gut, wenn ich mich da so reinsteigere.

Also, was das Einhorn angeht: das Vieh hieß Herta. Hätt uns schon eine Warnung sein sollen, weil einfach nichts Gutes dabei rauskommen kann, wenn ein Einhorn Herta heißt. Und es hätt uns auch was sagen sollen, dass sie schon beim Erstgespräch ihre Kippen dauernd an Fast-Nimmer-Johnnys Holzbein ausgedrückt hat. Herta, echt jetzt.

Aber gut. Normalerweise nehmen wir ja keine Passagiere auf, aber wir haben das Geld dringend gebraucht, sie hat hervorragend gezahlt** und wollte unbedingt in die Karibik umziehen. Weil angeblich das Wasser in ihrem Fjord nicht warm genug war, die Fische nicht interessant genug und die Nachbarn zu laut. (Ich hab nachgeforscht: die einzigen Nachbarn in einer Umgebung von fünfhundert Kilometern war eine Siedlung Florentinischer Flüsterelfen. Bei denen kann man aus dem Clan fliegen, wenn man ein Geräusch macht, das lauter ist als eine Eulendaune, die bei nebeligem Wetter aus einem halben Meter Höhe auf einen bemoosten Waldboden fällt. Herta hat von dem Lärm Kopfweh bekommen, hat sie gesagt.) 

Herta hätte die Strecke natürlich auch schwimmen können – immerhin ist sie ein Einhorn mit einem gigantischen Fischschwanz und lebt im Wasser, um Himmels willen – aber Seereise per Schiff schien ihr eleganter. Kann sie dann ihren Bekannten davon erzählen und alles. 

Wir waren alle skeptisch, aber der Käpten ist halt der Käpten, und wenn der sich was in den Kopf gesetzt hat… naja. Wir haben also an Deck eine riesige Badewanne installiert, in der das Vieh Platz hatte, und sind in See gestochen.

Also, wir haben es versucht, aber es hat drei Anläufe gebraucht, weil wir den Anker laut Herta zu unregelmäßig hochgezogen haben, und so kann sie ihr neues Leben ja kaum beginnen, oder?

Das ist eine Liste der Dinge, die Herta sonst noch so gestört haben:

  • Das Wasser in ihrer Wanne ist zu warm
  • Das Wasser ist zu kalt
  • Das Wasser macht ihre Zigarette nass
  • Es gibt kein Badeentchen
  • Das Badeentchen, das wir aufgetrieben haben, ist eben ein Entchen und kein Pferdchen
  • Das Meer ist zu blau
  • Fast-Nimmer-Johnnys Gang ist zu uneben, das macht sie nervös

(Lösungsvorschlag: ein zweites Holzbein, damit’s gleichmäßiger wird)

  • Wir weigern uns, am Weg schnell Dänemark anzugreifen, weil sie dort mal in einem Restaurant schlechten Service bekommen hat
  • Wir weigern uns, wenigstens das Restaurant zu brandschatzen
  • Der Akzent der Gebrüder Rodriguez ist zu exotisch

(Lösungsvorschlag: sie dürfen in ihrer Gegenwart nur gestikulieren)

  • Black Molly trägt die Augenklappe auf der falschen Seite, Herta bevorzugt Rechtsträger
  • Die Segel machen ein unschönes Geräusch, wenn sie mit Wind in Berührung kommen
  • Wind insgesamt. Sollte man verbieten.
  • Möwen sowieso
  • Wenigstens einen kurzen Abstecher nach Dänemark könnten wir schon machen, um den Koch kielzuholen. Das nennt sich Service?!
  • Wieso ist das Wasser schon wieder zu warm?

Und das waren die ersten DREI STUNDEN der Reise. Unser Geisteszustand nach sechseinhalb Wochen von ungebremster, unablässiger Herta… er lässt sich schwer beschreiben. Alischa, gutartiger Kerl, der er ist, versuchte zuerst noch zu beschwichtigen. Immerhin hatten wir einen Beförderungsvertrag mit Herta; immerhin, wir waren alle abgebrühte Piraten, wir konnten sie doch einfach ignorieren; immerhin, zugegeben, Möwen mochte wirklich niemand… 

Irgendwann aber war die Stimmung an Bord so aufgeheizt, dass es nicht anders ging und wir das undenkbare taten: Wir drohten mit Meuterei***. Alischa wusste, dass der Bogen überspannt war. Er erklärte uns, dass er dennoch den Schutz eines Gastes als heilig ansah und unsere Forderungen nach Hertas Blut nicht erfüllen konnte. Stattdessen, versprach er, würde er mit ihr reden und sie zur Vernunft bringen.

Wir wissen ehrlich nicht, was sie während des Gesprächs zu ihm gesagt hat, weil wir in der Kapitänskajüte gewartet hatten. Wir vermuten, dass Herta einfach Herta war, denn nach etwa fünf Minuten kam er zurück, mit hochrotem Kopf und knapp an der Schnappatmung und gab den Befehl: “MACHT DIE KANONEN BEREIT! WIR SCHIESSEN DIE JETZT INS MEER!”

Der Plan gefiel uns allen gut, wir sahen uns dennoch gezwungen, ihn Alischa auszureden. Nicht wegen moralischer Bedenken, sondern weil Herta unmöglich in selbst unsere größte Kanone gepasst hätte. 

Stattdessen und – wie ich hinzufügen möchte – enormster Erleichterung kippten wir sie einfach samt Badewanne ins Meer. 

Damit hätte die Geschichte zu Ende sein können, aber das verdammte Einhorn war darüber dermaßen empört, dass sie laut schimpfend die Verfolgung aufnahm. Es ist erstaunlich, was so ein Vieh an Tempo zulegen kann, wenn es nur wütend genug ist. Als sie fast aufgeholt hatte, legte sie den Kopf tiefer und rammte die Blutlüsterne Annie mit einem laut hörbaren ‚KLONK!”

Wir vermuten, dass ihr Plan war, ein Loch in unser Heck zu bohren und uns dann mit dem Wasserschaden allein zu lassen. Womit dann allerdings weder sie noch wir gerechnet hatten war, dass sie stattdessen mit der Hornspitze stecken blieb und sich auch mit größtem Geschimpfe nicht wieder befreien konnte.

Besser noch: weil ihr Kopf unter Wasser war, hörten wir sie zwar Fluchen, nicht aber, WAS sie da von sich gab. Gedämpft durch die Wellen klang es sogar recht harmonisch, fanden wir alle. Alischa tauschte einen Blick mit mir – in wichtigen Situationen hört er doch auf meinen Rat – und ich nickte leicht. Damit wendete er sich strahlend an die Crew und brüllte: “Setzt die Segel! Volle Fahrt voraus!”

Und so kam es, dass wir den gesamten restlichen Weg nach Tortuga ein zuerst laut zeterndes, aber nach und nach immer stiller werdendes Nörgelndes Norwegisches Wassereinhorn hinter uns herschleppten. Als wir endlich im Hafen einliefen, lies sich Black Molly an einem Seil und mit einer kleinen Handsäge bewaffnet zu ihr hinter, um sie zu befreien. Herta war nachgerade kleinlaut, wagte nur minimale Kritik an Mollys Sägetechnik und machte sich dann schleunigst und unter dem Jubel der Besatzung aus dem Staub.

Während ich diese Zeilen schreibe, feiert Alischa gerade mit den anderen oben an Deck unsere finanzielle Wiederherstellung. Ich hingegen sitze hier, genieße ein Gläschen Rum und die Aussicht auf etwas ruhigere Zeiten in den kommenden Monaten. Ich hab Alischa nämlich vorhin doch gefragt: Laut ihm zeigt die Schatzkarte, die uns das alles eingebrockt hat, nur den Weg zu einem besonders idyllischen Fleckchen im Südpazifik. Keine Ahnung, warum er unbedingt einen Korallengarten besuche will, aber – wieviel Stress kann das schon werden?”







*Erhältlich in unserem Museumsshop, direkt neben den Streitäxten. Unsere Mitarbeiterin Fräulein Elenora Niedermaier berät sie gerne. 

**In der Tat scheinen NNWs in der Regel sehr wohlhabend zu sein, was vor allem an ihrer fast ans übernatürliche grenzenden Fähigkeit zu liegen scheint, bei jeder Gelegenheit durch beständiges Nöhlen Rabatte herauszuschlagen

*** Dieser ersten Gelegenheit sollten noch ein paar weitere folgen, in der Alischas Crew aus reiner Notwehr diese Drohung aussprach. Durchgezogen haben sie es aber nie. 

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Der Ruf, Teil 51

Die Überlebenden taumeln von dannen und haben vermutlich dir Schnauze von Insekten voll, nicht aber voneinander.

schreckenbergschreibt: Quarantänegeschichte Nr. 76 – Der Ruf, Teil 51

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Das Museum Essentieller Artefakte: Krähenkrächzen

Ausstellungsstück 7145:

Das Krächzen einer Krähe

Wir wissen bis heute nicht, wie die Krähe in unsere Ausstellungssräume gelangt ist. Wir haben es zwar geschafft, sie verletzungsfrei einzufangen und nach draußen zu befördern – ihr Krächzen ist aber hiergeblieben. Es scheint sich besonders im Saal mit den Porzellangeschirren wohl zu fühlen, tanzt dort als Echo zwischen den Vitrinen hin- und her. Manchmal leistet es aber auch unseren Wärtern Gesellschaft und kommentiert mit spöttischem Kreischen alles, was sie tun.

Vor allem unser ältestgedienter Wärter scheint es ihm angetan zu haben, manchmal weicht das Krächzen eine ganze Schicht lang nicht von seiner Seite, folgt ihm von Raum zu Raum. Er sagt aber, es mache ihm nichts aus, denn: „Bittschön, is eh so einsam sonst. A bisserl a Ansprach, des is doch sche.“

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Der Ruf, Teil 50

Britt zieht durch und die Ereignisse im Keller kommen zu einem Ende.

schreckenbergschreibt: Quarantänegeschichte Nr. 75 – Der Ruf, Teil 50

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Das Museum Essentieller Artefakte: Damenschuh

Hey Leute,

das ist heute die 75. Quarantänegeschichte. Die Welt ist nicht mehr ganz diesselbe wie noch vor zweieinhalb Monaten, als ich die erste Geschichte hier gepostet und dann zehn Minuten später eine Whatsapp von einer Freundin bekommen habe: „Bist du noch in Deutschland?! Die machen die Grenzen zu!“

Zweieinhalb Monate seit einer überhasteten Abreise von meinem besten Freund, seit einem Abschied an einem menschenleeren Kölner Bahnhof. Nur ein paar Soldaten waren da. Zweieinhalb Monate vor einer beklemmenden Nachtfahrt in einem Zug mit klappriger ungarischer Garnitur und voller besorgter Gesichter. Ich bin jede Stunde aufs Klo gegangen, Händewaschen, und nachdem es dort keine Seife mehr gab, nur sehr scharfes Desinfektionsmittel, waren meine Knöchel am Ende der Nacht blutig.

Zweieinhalb Monate, seit ich mit meinem Vater am Telefon heftig gestritten hab, weil meine Familie wollte, dass ich in Oberösterreich aussteige und heimkomme, um den Sturm in mein Elternhaus auszusitzen – und ich das verweigert hab, weil ich zu viel Angst hatte, ihnen etwas Heimtückisches von der Reise mitzubringen. Zweieinhalb Monate, seit der Zug um fünf Uhr morgens in Linz gehalten hat, und ich sitzen geblieben bin und versucht hab, leise zu flennen, damit ich die Leute im Abteil nicht wecke. Von meiner einen Familie musste ich gerade weg, zur anderen konnte ich nicht hin und wir wussten alle nicht, was kommt.

Zweieinhalb Monate, seit ich im Morgengrauen mit dem Taxi durch ein fremdartig stilles Wien gefahren bin, seit der Taxler wissen wollte: „Was halten sie von diesem komischen Virus?“ Heut kann ich’s euch sagen: Nicht viel halt ich davon. Sowas von kein Fan.

Zweieinhalb Monate seitdem, und die Welt ist eine andere, das Virus wird uns noch eine ganze Weile begleiten.* Aber es sieht so aus, als hätten wir – zumindest in unserem kleinen Teil der Welt, und in diesem Moment – das Schlimmste vorläufig überstanden. Der Lockdown hat in Österreich schon vor einiger Zeit geendet, in Deutschland tut er es Anfang der kommenden Woche. So lang gibt es hier noch Quarantänegeschichten – Michael ist ab morgen beim Epilog des Rufes, bei mir gibt es heute und morgen noch ’normale‘ Museumseinträge. Für den Sonntag, den letzten Tag, dann ein kleines Crossover. Das ich allerdings noch Schreiben muss und damit sollt ich langsam anfangen. Also:

Fühlt euch umarmt,
S.


*vermutlich bis zum Impfstoff und über Impfskeptiker hab ich in dem Kontext ganz, ganz viele Meinungen

Ausstellungsstück 43221:

Ein seidener Damenschuh

Traditionellerweise ist ein Incubus ein Dämon in männlicher Gestalt, der junge Frauen im Auftrag Satans zu unsäglichen sexuellen Exzessen verführt. Eine merkenswerte historische Ausnahme stellte da der Dämon Udramelech dar, der stets öffentlich zu seiner asexuellen Neigung stand. Stattdessen verführte er junge Frauen zu Fußmassagen, gemeinsamen Spaziergängen und tiefsinnigen Gesprächen bei einer Tasse Tee, während der sie in ihrer persönlichen Entwicklung bestärkte und als Individuen wahrnahm.

Der Erzbischof von Bern versuchte im Jahre 1674, Udramelechs unheiligem Treiben ein Ende zu setzen und beauftragte einen Exorzisten. Dieser fand sich allerdings bald von Angesicht zu Angesicht mit einer Meute hochgradig empörter Jungfern wieder, die nach einem kurzen Schreiduell zur Attacke übergingen. Auch das vorliegende Ausstellungsstück kam dabei als Wurfgeschoss zum Einsatz.

Der Exorzist wurde erfolgreich in die Flucht geschlagen und Udramelech verbrachte den Rest des Abends damit, den von der Schlacht erschöpften jungen Damen die Schultern zu massieren. 

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Das Museum Essentieller Artefakte: Goldfischglas

Ausstellungsstück 8976:

Ein Goldfischglas voller Wolken

Beim Objekt handelt es sich um ein Goldfischglas von durchschnittlicher Größe, das aber dennoch über ein eigenes Wettersystem zu verfügt. Statt Wasser – wie man es erwarten würde – wallen dunkle Gewitterwolken bis knapp unter seinen Rand, stets in Bewegung, stets gepeitscht von heftigen Winden aus dem Inneren der Kugel. Je nach Wetterlage ist auch das rauschen von Regen zu hören oder tanzt ein feines Blitzgespinst innen am Glas entlang. 

Der Bewohner des Glases ist dafür ein (den Umständen entsprechend) normaler Goldfisch, zumindest soweit wir das beurteilen können. Die meiste Zeit hält er sich tief im Gewittergewühl verborgen, hin und wieder kommt er aber auch an die Oberfläche – besonders gerne an den seltenen Tagen, an denen sich das Wetter beruhigt und im Glas Stille herrscht. Am liebsten scheinen ihm wattig weiche Cummuluswolken, zwischen denen seine orangefarbenen Flossen besonders elegant zur Geltung kommen – an solchen Tagen lässt er sich manchmal sogar füttern.

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